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  • AutorenbildSandy

Hochsensibel als Junge

Ich habe diesen Beitrag in einem Rutsch geschrieben. Ich las ihn mir durch und hatte das Bedürfnis ihn noch etwas abzuändern. Hier ein bisschen, da noch etwas.. Ich glaub ich hab ihn an die zwanzig mal umgeschrieben bevor ich ihn dann löschte.

Nicht weil mir die richtigen Worte fehlten, es waren bereits über 2.300 an der Zahl, sondern eher weil es mir eine Ecke ZU persönlich geworden ist. Denn immerhin schreibe ich hier nicht über irgendwen, sondern über meinen Sohn. Ich selbst hab kein Problem damit mein Innerstes nach außen zu kehren, wie ich euch schon mit dem Burnout Beitrag gezeigt habe. Dennoch ist es etwas anders wenn man über jemand anderen schreibt und wenn der dann noch dein eigen Fleisch und Blut ist UND eh hochsensibel, dann ist es wirklich sehr schwierig.

Trotzdem, oder grade deswegen ist es mir aber ein Bedürfnis euch einen Einblick in das Thema Hochsensibilität zu geben, da das „nicht Wissen“ Menschen die davon betroffen sind, das Leben einfach unnötig erschwert.

Klischee

Das eine gewisse Feinfühligkeit dem klischeehaften Denken nach „nur“ bei den weiblichen Wesen toleriert wird, ist kein Geheimnis. Was diese Haltung aber mit den Menschen macht, die nicht diesem Klischee entsprechen, kann man nur erahnen.

Stellt euch mal ein kleines Kind vor, so knappe 3 Jahre alt. Es spielt in der Sandkiste und um das Kind herum sind auch andere Kinder. Plötzlich gibt es eine kleine Streiterei und es kommt, wie es kommen muss. Unser Kind weint, ganz bitterlich. Das andere Kind hat sich ein Sandspielzeug gemopst. Es wird getröstet, die Situation klärt sich und die Tränen trocknen.

Es wird weiter gespielt. Einige Jungs und Mädchen klettern an dem Klettergerüst und Springen, toben, rutschen. Unser Kind ist mit dabei, aber immer verhalten. Es klettert nicht so hoch, aus Angst vor dem Fallen. Wenn auf dem Klettergerüst viele Kinder sind, bleibt es lieber unten und wenn es rutschen will, dann lässt es lieber alle Kinder vor, als hinter sich welche stehen zu haben.

Beim Fussballspielen will es nicht mitspielen, da der Boden hart ist und es Angst hat hinzufallen. Das laute und wilde Toben auf dem Spielplatz verängstigt dieses Kind eher, als das es die Lust verspürt da mitzumachen.

Fahrradfahren ist auch noch nicht wirklich hoch im Kurs, da man ja auf zu viele Dinge achten muss und sowieso viel zu schnell wird. Da reicht das Laufrad locker aus, außerdem wird sich eh nicht weiter als 5 Meter von Mama entfernt, aus Angst sie aus dem Blick zu verlieren.

Wenn andere Kinder dieses Kind ansprechen wirkt es schüchtern, spricht leise und undeutlich aus Scham und Angst sich zu versprechen oder das Falsche zu sagen. Dieses Kind hängt wirklich viel und oft an der Mutter und ist immer in ihrer Nähe.

Und jetzt stellt euch bitte vor, das „dieses Kind“ ein Junge ist.

Ein paar Jahre weiter

Dieses Kind wurde nun eingeschult und hat bereits die ersten Tage voller neuer Eindrücke überlebt. Die Mädchen der Klasse bilden Grüppchen und spielen Pferdchen oder Ticken in den Pausen. Die Jungs der Klasse rennen immer schnell raus, wollen am liebsten den ganzen Tag nur Fussball spielen oder sich kloppen. Das gehört nämlich dazu, also das Kloppen. Jungs müssen nämlich quasi Revierkämpfe durchführen. Das sagt nicht irgendwer, das sagt sogar der Vertrauenslehrer. Da ist das auch ganz normal wenn die Großen Viertklässler den kleinen Erstklässlern bereits am 4. Schultag gehörig Angst einjagen.

Kinder die dann da stehen, bedroht werden und eigentlich nur Angst haben, sind fehl am Platz. Wenn das Kind dann auch noch mehr Angst um seine Freunde hat, als um sich selbst, dann ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Hier kämpft jeder für sich. Freundschaften knüpft man bitte erst im 2. Halbjahr.

Einkaufen

Stellt euch vor ihr geht einkaufen. Immer in ein und den selben Supermarkt. Das Kind kennt ihn in und auswendig und wenn ihr es fragen würdet, wo die Nudeln sind, würde es mit Sicherheit schneller als jeder Verkäufer sagen, in welchem Gang ihr das findet. Dennoch weicht es euch beim Einkaufen nicht von der Seite. Es klebt förmlich an euch. Die Hand zittert und wird feucht, der Gesichtsausdruck ist ebenso wie die Körperhaltung angespannt. Jeden Schritt den ihr macht, macht auch das Kind. Auch wenn ihr euch nur 3 Schritte vom Wagen wegbewegt um etwas aus dem Kühlregal zu holen, tapst das Kind euch hinterher.

Und obwohl das jüngere Geschwisterkind auch mit dabei ist und dieses durch sämtliche Gänge saust, ohne Rücksicht auf die eigenen Eltern, Rentner und dem Personal, bleibt dieses Kind an eurer Seite. Extremer sogar, es wird nämlich unruhig, WEIL die Schwester immer wieder weg läuft. Dabei kommt sie ja alle paar Minuten wieder zum Einkaufswagen zurück.

Was machen diese Eltern also verkehrt?

Die Antwort ist leicht: Nichts.

Denn grade anhand der Tatsache, dass das Geschwisterkind ja völlig anders vom Charakter her ist, ist doch Beweis genug, dass es nichts (!) mit der Erziehung an sich zu tun haben kann!

Dieses Kind, unser Sohn

Natürlich sind es keine ausgedachten Situationen, sondern alles wahre Begebenheiten von uns! Alle Situationen haben wir so erlebt und erleben sie noch. Denn als Junge hochsensibel zu sein, empfinde ich persönlich eher als Strafe. Sowieso ist dieses Hochsensibel eher ein Fluch, als ein Segen. Was nützt es mir einfühlsamer sein zu können als 80% der anderen Menschen, wenn eben genau diese es einem so unheimlich schwer machen?

Das soll jetzt kein Jammern sein, es ist einfach so. Als erwachsene Frau ist es schon schwierig mit diesem Thema umzugehen, aber als Junge in einer Welt wie dieser damit aufwachsen zu müssen ist ehrlich eine Qual. Was wir hier für Gespräche mit unserem Sohn führen, kann sich kaum einer vorstellen. Wenn wir darüber mal mit anderen sprechen, dann gibt es immer wieder nur die typischen Reaktionen darauf wie: Ihr erklärt ihm einfach zu viel / Ihr müsst ihn einfach mal „zu seinem Glück“ zwingen / Packt ihn nicht immer in Watte/ Was habt ihr bei ihm nur falsch gemacht? Bei der Lütten klappt es doch auch?!

Schlag ins Gesicht

Es ist wirklich wie ein Schlag ins Gesicht sowas hören zu müssen. Genau deswegen sprechen wir auch nur noch mit Freunden darüber, die diese Situation wirklich verstehen und sogar selbst kennen. Denn es ist nun mal schwer für Menschen Dinge nachzuvollziehen, wenn man sie selbst nicht erlebt hat.

So lang auf dieser Welt noch das schwarz/weiß-Denken herrscht, wird es für Menschen die irgendwo dazwischen sind schwer bleiben.

Alles Liebe,

eure Sandy

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