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  • AutorenbildSandy

Meine Omi

Die Liebe, das Leben und der Tod. So unterschiedlich die Wörter auch klingen mögen, sie gehören zusammen. Das Leben lehrt uns die Liebe. Wie stark sie ist merkt man jedoch erst, wenn der Tod sie einem nimmt.

*

Ein herzensguter Mensch wurde erlöst. Einer meiner wichtigsten Menschen im Leben hat uns heute verlassen. Ich habe sie geliebt. Sie gehört(e) in mein Leben und nun trennt uns der Tod von einander.

Mein Herzensmensch.

Meine Omi.

Geahnt und doch auch gewusst, dass bald dieser ganz bestimmte Moment kommen wird… Und dennoch trifft es einen, wie ein Schlag. Nein, wie ein Stich ins Herz. Von der einen auf die andere Sekunde gibt es ihn nicht mehr. Diesen einen Menschen.

Meine Omi.

Sie war so viel mehr als „nur eine Omi“. Sie war DIE Omi. Die Person an die man sich gern ankuschelt. Mit der man in Erinnerungen schwelgt und von der man Unmengen an Süßes bekam. Sie war ein guter Mensch. Eine so herzliche Person, und immer, wirklich immer für jeden ihrer Lieben da. Sie hätte ihr letztes Hemd gegeben, für alle von uns. Unserer Familie.

Ich habe meinen Opi nur kurz kennenlernen dürfen, aber dennoch liebe ich jede einzelne Erinnerung an ihn. Als er starb brach für meine Omi die Welt zusammen. Für meine Mutter auch. Ein knappes Jahr nach dem Tod meines Opi’s flogen wir – nur meine Omi und ich – nach Mallorca. Eine wundervolle Reise, die ich nie vergessen werde. Wir hatten so viel Spaß und ich erinnere mich an gewisse Momente noch so deutlich, als wäre es gestern gewesen. Das macht es alles nur leider nicht leichter. Es tut weh. Sie fehlt.

Meine Omi.

Sie war so voller Liebe, so hilfsbereit, so herzlich. Als meine Tante starb und mein Onkel mit seinen zwei Söhnen plötzlich alleine da stand, war sie da. Für ihn und für die Kinder. Sie war halt einfach MEHR als „nur eine Omi“.

Als meine Schwester und ich im Streit auseinander gingen, war sie diejenige, die mehr als alle Anderen auf uns einredete, uns wieder zu versöhnen. Sie war so harmoniebedürftig. So herzlich.

Vier wunderbare Ur-Enkel durften ihre ebenso wunderbare Uromi kennenlernen.

Es brach mir heute das Herz.

Zu wissen, dass sie nicht mehr da ist. Das sie nicht wiederkommen wird. Mit ansehen zu müssen, wie sehr meine Mutter leidet.

Es brach UNS das Herz.

Uns allen. Denn auch für meine Cousins war sie deutlich mehr, als „nur eine Omi“. Sie war in einer der schlimmsten Zeiten eines Kindes für sie da. Fing sie auf. Fing ihren Sohn auf, der seine geliebte Frau an dem elendigen Krebs verlor. Alles völlig selbstverständlich. Wir sind ja schließlich eine Familie!

Familie.

Eine Familie ist so viel mehr, als eine Blutsverwandtschaft. Ob angeheiratet, adoptiert, Freunde oder eben genetisch Verwandte. Als Familie bezeichnen wir unsere Lieblingsmenschen, diejenigen, die uns am nächsten stehen. Die Eltern meines Vaters zum Beispiel, gehören nicht dazu. Das waren absolut keine Herzensmenschen. Das kann und darf ich so sagen, Beweise dafür trage ich zur Genüge in meinem Herzen. Vielleicht ist mir grade deswegen, schon immer meine Omi so unendlich wichtig gewesen.

Meine Omi.

Sie hatte völlig veraltete und verschrobene Ansichten und hat bis zuletzt einen Videorecorder nicht bedienen können. Aber sie hat die Welt gesehen. Sie hat mit selbst geschriebenen Vokabelheften die wunderschönsten Ecken der Welt bereist. Ob Neuseeland, oder Hawaii. Ob Spanien oder die USA. Meine kleine Omi ist aus dem „tiefsten Ort“ der DDR geflohen und hat tatsächlich fast die ganze Welt gesehen. „Das die kleine Rita aus Ferchland mal um die Welt kommt hätte ich damals nicht gedacht!“ Dies hat sie mir noch vor wenigen Tagen gesagt. Wir sprachen wirklich immer offen und ehrlich miteinander. Ganz besonders als sie der Krebs wieder einholte. Letztes Jahr noch, standen ihre Chancen nach der OP relativ gut und plötzlich, vor wenigen Wochen ging es wieder los.

Der Krebs war zurück.

Schlimmer denn je und was eben noch „harmlos“ schien, wurde für sie zur Qual. Aussichtslosigkeit machte sich breit. Es ging ihr nicht gut, sie bekam Schmerzen, konnte kaum essen und kam dann ins Krankenhaus. Noch viel deutlichere Aussichtslosigkeit machte sich breit, doch meiner Omi war dies bewusst und sie nahm es mit einer Selbstverständlichkeit hin, die uns alle beeindruckte. Sie war selten so klar und direkt, wie die letzten Tage.

Meine Omi.

Sie konnte und wollte nicht mehr. Sie war glücklich und zufrieden mit ihrem Leben und wünschte sich nichts mehr, als einfach friedlich einschlafen zu können. Letzten Sonntag noch, vor einer Woche, verbrachten wir den Tag in der Notaufnahme, nachdem ich sie mit meiner Ma im Heim besuchte. Ihr ging es deutlich schlechter und schon da brach es einem das Herz, sie so  sehen zu müssen.

Schicksal?

Es kam diese Woche alles anders als geplant. Angefangen von den Scharlach Diagnosen bei meinen Kids und mir, und des daraus resultierenden NICHT-Besuchens meiner Oma, bis hin zu dem heutigen Tag, an dem wir eigentlich bereits 4 Autostunden entfernt sein wollten. (Dies hatten wir aufgrund der Erkrankungen von uns abgesagt).

Schicksal war es auch, dass meine Omi heute, während des Besuches meines Onkels und meiner Ma, einschlief. Von einem auf den anderen Moment. Sie war nicht allein, als es geschah. Sie hatte ihre Lieben um sich.

Meine Omi.

Beim letzten Besuch von mir, vor drei Tagen, redeten wir wieder sehr offen und ehrlich über das bevorstehende Lebensende. Und wir scherzten miteinander. Trotzdem, oder grade deswegen? Egal. Ich konnte meiner Omi schon immer ein Lächeln abgewinnen. Es war schön. Ein schönes, letztes aufeinander Treffen.

Aber jetzt, jetzt ist sie nicht mehr da. Sie fehlt mir so sehr. Hätte ich ihr noch etwas sagen wollen? Hätte ich doch nochmal zu ihr gehen sollen? Ich muss hier nur kurz überlegen. Nein, denn alles wichtige haben wir uns gesagt. Das ist gut und das tut gut zu wissen. Doch es macht den Verlust nicht weniger schmerzhaft.

Heute Mittag bekam ich den Anruf. So stark ich die letzten Tage auch war, es traf mich dennoch und zog mir den Boden unter den Füßen weg.

Ich fuhr ein letztes mal zu ihr ins Krankenhaus und nahm Abschied.  Abschied von der Hülle, deren herzliche Wärme nun fehlte.

Meine Omi. Ich liebe dich.

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